F. Mendelssohn – Choralkantate

 

„Wer nur den lieben Gott lässt walten“

 

Dies ist eine von den 8 Choralkantaten, die Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) nach intensiver Beschäftigung mit der Musik von J.S. Bach in der Zeit zwischen 1827 und 1832 geschrieben hat.

Das Autograph der Komposition galt lange Zeit als verschollen. Vor wenigen Jahren wurde jedoch eine Abschrift im Nachlass des Mendelssohn-Freundes Franz Hauser entdeckt. Daher wissen wir, dass das Werk Anfang 1829, kurz vor Mendelssohns Englandreise entstand. Der Traum einer Aufführungsmöglichkeit in London zerschlug sich jedoch.

Die Choralkantate basiert auf Text und Melodie des Kirchenliedes von Georg Neumark (1641). Außergewöhnlich ist, dass Mendelssohn der Vertonung der ersten Liedstrophe einen Satz voranstellte: die Eingangsstrophe aus Israel Clauders Choral „Mein Gott, du weißt am allerbesten“ (1699). Der zentrale Teil der Komposition, der Gedanke der Zuversicht und des Vertrauens auf Gott, findet seine musikalische Entsprechung in der zweiten Strophe, im subtil angelegten Zusammenspiel

von Chor und Orchester. Eine zarte, liedhafte Sopranarie schließt sich als Strophe 3 an. Der Schlusschoral fasst die Thematik der Glaubensgewissheit mit dem Unisono des Chores und dem im energischen Forte begleitenden Orchester zusammen. Die letzte Zeile erklingt kraftvoll im Kantionalsatz: „Denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verläßt er nicht“.

 

Zum Text:

Die Kantate beginnt mit einer eigenen 1. Strophe, dann folgen die Strophen 1, 4, 7 aus dem Kirchenlied EKG 369.

1. Chor

Mein Gott, du weißt am allerbesten das, was mir gut und nützlich sei.

Hinweg mit allem Menschenwesen, weg mit dem eigenen Gebäu.

Gib, Herr, daß ich auf dich nur bau und dir alleine ganz vertrau.

2. Chor

Wer nur den lieben Gott läßt walten und hoffet auf ihn alle Zeit,

den wird er wunderbar erhalten, in allem Kreuz und Traurigkeit.

Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut, der hat auf keinen Sand gebaut.

3. Aria, Soprano

Er kennt die rechten Freudenstunden, er weiß wohl, wann es nützlich sei;

wenn er uns nur hat treu erfunden und merket keine Heuchelei.

So kommt Gott, eh wir's uns versehn, und lässet uns viel Guts geschehn.

4. Chor

Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, verricht das deine nur getreu

und trau des Himmels reichem Segen, so wird er bei dir werden neu.

Denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verläßt er nicht.

 

 

 

Hier zur Info noch eine Kopie aus dem Internet:

http://www.vocalensemble-dinkelscherben.de/mediapool/73/735040/data/VED_Programmzettel.pdf

 

Felix Mendelssohn Bartholdy

der romantische Klassizist

1809 1847

Felix Mendelssohn wuchs in Berlin auf, geborgen in seiner kunstliebenden Familie: Großvater Moses war der bedeutende Philosoph, Urbild von Lessings „Nathan“; die wohlsituierten Eltern suchten bei der Erziehung der Kinder das humanistische Bildungsideal zu verwirklichen: Felix und seine Schwester Fanny genossen eine breit gefächerte wissenschaftliche und musikalische Ausbildung. So unterwies C. F. Zelter den Buben in Kompositionslehre und erschloss ihm die Tradition des großen Johann Sebastian Bach.

1826 hatte der junge Mendelssohn mit seinem umjubelten Meisterwerk, der Konzert-Ouvertüre zu Shakespeares „Sommernachtstraum“, seinen Stil gefunden. Drei Jahre später entwickelte er den Plan zur ersten Wiederaufnahme der Matthäus-Passion nach dem Tode Johann Sebastian Bachs. Damit gab der Zwanzigjährige den entscheidenden Anstoß zur europäischen Bach-Renaissance.

Mendelssohns geistliches OEuvre galt bis ins frühe 20. Jh. hinein als sein bedeutendstes überhaupt. Wenn sich das Urteil in der Zwischenzeit auch etwas verschob, bleibt doch die

höchste Qualität dieser Werkgruppe unzweifelhaft: Kontrapunktische Künste kontrastieren markant zur kantablen Melodik und weichen, instrumentalen Harmonik.