Gioachino Rossini (1792 – 1868)

Informationen zu Leben und Werk

 

Wer sich den „typischen Rossini“ vorstellt,

meint im Grunde zwei verschiedene Personen: Die Porträts zeigen meist jenen wohlbeleibten älteren Herrn, den die Pariser Fotografen in großer Zahl aufgenommen haben. Er war dort in der Mitte des 19. Jh. als kommunikativer Gastgeber, Feinschmecker, humorvoller und ironischer Gesprächspartner beliebt.

Jedoch seine berühmten Opern hat er alle als junger Mann in der Zeit bis 1830 komponiert. Dazu zählen Il Barbiere di Siviglia, Zelmira, Mosé in Egitto, Guillaume Tell. Letzteres war die abschließende Komposition von Rossini für die Musiktheater, danach schrieb er, erst 37-jährig, keine Opern mehr. Kleinere Werke für Klavier u.a. schrieb er in seinen späteren Jahren durchaus noch, vor allem aber die bedeutsamen kirchenmusikalischen Werke „Stabat Mater“ (1841) und „Petite Messe solennelle“(1863) (s.u.).

 

Rossini, geboren in Pesaro an der italienischen Adria, wurde von seinen ebenfalls musikalisch tätigen Eltern, sowie von einigen reichen Förderern früh als Sänger und Instrumentalist (Geige, Cembalo,..) ausgebildet und trat mit 12 Jahren erstmals öffentlich auf. Schon als Schüler fing er selber an zu komponieren und insbesondere etliche Werke von Komponisten wie Mozart und Haydn zu studieren. Er berichtet selber: “Ein Musikliebhaber in Bologna besaß einige Partituren, darunter „Die Schöpfung“, „Le nozze di Figaro“, „Die Zauberflöte“. … Er lieh sie mir, und da ich mit 15 Jahren nicht die Möglichkeit hatte, mir die Werke aus Deutschland gedruckt kommen zu lassen, so kopierte ich sie selbst mit Heißhunger. Meist habe ich erst die Singstimme ganz alleine abgeschrieben, ohne mir die Orchesterbegleitung anzusehen. Dann komponierte ich auf einem losen Blatt selbst nach meinem Geschmack eine Begleitung, die ich darauf mit der von Haydn oder Mozart verglich; schließlich vervollständigte ich meine Kopie, indem ich die Originalbegleitung abschrieb. Mit Hilfe dieses Arbeitssystems habe ich mehr gelernt als in allen Unterrichtsstunden des Bologneser Konservatoriums.“

Rossini hat etwa 40 Opern geschrieben, meist im italienischen Stil der Opera buffa (komische Oper) oder Opera seria (ernste Oper). Uraufgeführt wurden sie in Bologna, Ferrara, Venedig, Rom , Neapel, Mailand,...; etliche hat er für eine spätere Aufführung in Paris nochmal weitgehend überarbeitet.

 

1822 heiratete Rossini die Primadonna Isabella Collbran (1785-1845), für deren Stimme er seine bedeutendsten ernsten Frauenpartien schrieb. Von ihr trennte er sich aber später wieder. Nach ihrem Tod heiratete er 1846 in Paris Olympe Pélissier. In den zwanziger Jahren des 19. Jh. wurde Rossini in vielen Städten Europas gefeiert; dann wurde ihm für seine zweite Lebenshälfte Paris zur Heimat. In dem Vorort Passy verbrachte er ab 1856 nach vielen Unruhen, Reisen und Krankheiten zusammen mit Olympe noch etliche friedliche Jahre. Die Teilnahme an den zahlreichen musikalischen Zusammenkünften im Salon der Rossinis war für viele ein begehrtes gesellschaftliches und künstlerisches Ereignis. Zudem sprachen bei Rossini etliche bekannte Musiker seiner Zeit vor, so Giacomo Meyerbeer, Richard Wagner, Eduard Hanslick zu Gespräch und Gedankenaustausch.

 

Die Entwicklung der Kirchenmusik im 19. Jahrhundert in Italien, Frankreich und Österreich war ganz anders als in Deutschland. Denn hier war verpönt was dort gängige Praxis wurde: die schönsten Opernarien wurden ausgewählt, mit einem sakralen Text unterlegt und in der Kirche zur Messe aufgeführt. Viele Menschen erkannten die beliebten Melodien und waren begeistert. Belcanto in der Kirche – das spaltete die Publikumsmeinung, vielleicht bis heute noch ?

 

Auf diesem Hintergrund versteht man besser die andersartige italienische/französische Kirchenmusik aus der Zeit. In Paris komponierte Rossini seine wichtigsten geistlichen Werke, das „Stabat Mater“ und die „Petite Messe solennelle“. Diese ‚kleine Messe’ war, so konnte man auf einer Beischrift zum Manuskript lesen, „leider die letzte Todsünde meines Alters“ und enthielt eine Widmung eigener Art: „Lieber Gott, – voilà, nun ist diese arme kleine Messe beendet. Ist es wirklich ‚heilige Musik’ (musique sacrée) oder ‚vermaledeite Musik’ (sacrée musique) ? Ich bin für die Opera buffa geboren, du weißt es wohl! Wenig Kenntnisse, ein bisschen Herz, das ist alles. Sei also gepriesen und gewähre mir das Paradies. G. Rossini. – Passy, 1863.“

Noch 4 Jahre musste Rossini darauf warten; schon im Laufe seines Lebens hatte er mit vielen Krankheiten zu kämpfen gehabt, dies dann auch zuletzt bis zu seinem Tod 1868.

 

Geschrieben wurde die Petite Messe für die Einweihung der privaten Kapelle eines Pariser Adligen und wurde 1864 in dessen Salon uraufgeführt. Dementsprechend war eine kleine Besetzung nötig: „Zwölf Sänger der drei Geschlechter, Männer, Frauen und Kastraten, werden zur Aufführung genügen, also acht für den Chor, vier für die Soli. Die provisorische Begleitung besteht aus zwei Pianofortes und einem Harmonium.“  Da es in der Mitte des 19. Jh endlich verboten wurde, Knaben für den Gesang zu kastrieren, setzte sich Rossini beim Papst dafür ein, dass auch in der Kirche Frauen zusammen mit Männern singen dürften. Sein Einsatz allerdings war damals vergeblich.

 

   In der Petite Messe solennelle wird die Vielfalt der Komposition von Rossini im großen Umfang sichtbar. Obwohl er es teilweise leid war, sich an den Meistern deutscher Kirchenmusik zu orientieren, fand er doch in seinen letzten Jahren wieder große Freude an jedem neuen Band der Gesamtausgabe von J. S. Bachs Werken, die er subskribiert hatte. Das intensive Studium von Fuge und Kontrapunkt hinterlässt Spuren.

Seine Petite Messe enthält im „Kyrie“ gleich im ersten Teil einen polyphonen a-cappella-Satz  „Christe eleison“ (im alten Stil); als Gegenstück dazu (im neuen Stil) den harmonisch-homophonen  a-cappella-Satzes im „Sanctus“. Mit Witz und Spott versieht er das „Credo“ mit der Tempobezeichnung 'Allegro cristino'. Und ungewöhnlich für eine Messe: im „Prélude religieux“ hört man einen virtuosen Klaviersatz. Selber sagte Rossini zur Akzeptanz der Messe: „Das ist keine Kirchenmusik für euch Deutsche. Meine ernsteste Musik ist immer noch nur semiseria.“ Entgegen seiner eigenen eher skeptischen Einstellungen zu der ‚kleinen Messe’ wurde diese schon in den ersten Stellungnahmen nach der Uraufführung sehr gelobt. Hervorgehoben wurden u.a. die harmonische Originalität und Progressivität der Messe, sowie die kompositorische Ökonomie, die dem Werk bei allem Überfluss an schönen Melodien dennoch innewohnt.  

                                                                                     A.W.