Johannes Brahms (1833-1897)

 

Liebeslieder-Walzer op. 52

 

 

Liebesliederwalzer für vier Singstimmen und Klavier zu vier Händen“

 

Übersicht:

 

1.     Die Liebeslieder-Walzer

2.     Biografische Informationen

3.     Texte der 18 Lieder

 

 

1. Die Liebeslieder-Walzer

 

Eine von Brahms’ besonders liebenswerten Kompositionen sind die sogenannten Liebeslieder-Walzer. Brahms war ein begeisterter Walzerspieler. Er hat sich in Wien, wo er ab 1862 immer wieder für längere Zeiten lebte, durch Walzer von Johann Strauss (1825-1899), Franz Schubert (1797-1828) und durch die Wiener Volksmusik inspirieren lassen. Die gesangliche Melodik von vielen Walzern ließ die Idee entstehen, mit Walzern auch zu singen. Die 18 Lieder op.52 sind bunt und vielfältig, singen von Liebe, Sehnsucht, Lust und Leid, Zorn und Spott,… Gemeinsam haben sie die Textquelle: eine Sammlung von Liedernachdichtungen aus verschiedenen, meist osteuropäischen Sprachen, die Georg Friedrich Daumer 1855 in seiner Anthologie ‚Polydora’ herausgegeben hatte.

 

Die Besetzung der 4 Stimmen war mal ein Vokalquartett, mal ein 4-stimmiger Chor, Brahms hat das nicht eindeutig festgelegt. Bei der Uraufführung in Wien im Januar 1870 spielten Brahms und Clara Schumann vierhändig am Klavier, es sangen 4 Solisten. Clara Schumann schreibt in ihrem Tagebuch: “Es war überfüllt, auf dem Orchesterpodium so, daß ich nie wußte, wie ich an’s Klavier kommen sollte. Ich spielte sehr glücklich, das Publicum war in wahrem Enthusiasmus. – Die Liebeslieder (Johannes spielte sie mit mir vierhändig) gingen reizend und gefielen sehr.“

 

Die Idee zu diesen Liebesliederwalzern war bereits im Sommer 1868 bei einem Aufenthalt in Bonn mit vielen Wanderungen in der Natur entstanden. Die Zusammenstellung von den 18 Liedern hat keinen festen Zusammenhang.

Die Texte aus Polydora werden in einer großen Vielfalt vertont, die meisten vierstimmig, manche auch als Wechselgesang zwischen Tenor und Bass einerseits und Sopran/Alt andererseits (Nr. 3/4  und 13/14). Auch als Wechsellied zum Tanze mit Vorsänger- und Antwortstimmen sind einige Texte verarbeitet (Nr. 6 und Nr. 16). Der Charakter als Walzer und Volkstanz kommt am deutlichsten in den Stücken Nr. 8 und 9 heraus, allerdings tritt in Nr.8 die Verfeinerung zur Kunstmusik durch den Einsatz von Hemiolen hervor. Witzig und spöttisch ist das Lied Nr. 11, in dem das giftige Gerede und Getuschel der Leute lautmalerisch dargestellt wird. Besonders kunstvoll ist Nr. 10, bei dem das sanfte Wiegen der Quelle, das Sich-Winden des Bachs durch die Wiese an Schuberts Musik erinnert. Kunstvolle Anpassung an den Text findet auch in Nr. 16 statt. Hier wird die Liebe mit einem dunklen Schacht verglichen: der Bass läuft im ersten Teil in einer Gegenbewegung zur Melodie, während der Fall ins Dunkle bedauert wird; im zweiten Teil erfasst die Strenge eines Kanons das „stöhnende Weh“ der Erinnerung.

 

2. Biografische Informationen

Johannes Brahms wurde am 7. Mai 1833 in Hamburg geboren und ist 
am 3. April 1897 in Wien gestorben. Er gilt als einer der bedeutendsten
europäischen Komponisten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Brahms’ Vater war Kontrabassist und Hornist und wohnte fast sein ganzes
Leben im Gängeviertel in Hamburg. Brahms war weitgehend Autodidakt.
Unterricht in Klavier und Theorie erhielt er bei E. Marxsen. Als Klavierspieler
erregte er schnell Aufsehen.

Zwanzigjährig wurde Brahms Begleiter des ungarischen Geigers Eduard Remény. Durch Vermittlung von dem Geiger Joseph Joachim lernte Brahms das Ehepaar Schumann kennen.

1853 veröffentlichte Robert Schumann einen Artikel „Neue Bahnen“ in seiner „Zeitschrift für Musik“, in dem er den 20jährigen Brahms als kommenden großen Komponisten ankündigte. Im Anschluss an eine von Robert Schumann vorangetriebene erste Veröffentlichung eines Klavierwerks schrieb Brahms seinem Mentor: „Dürfte ich meinem zweiten Werk den Namen Ihrer Frau Gemahlin voransetzen?“

 

Clara Schumann war 14 Jahre älter als Brahms, hatte mit Robert zu der Zeit sechs Kinder, und sich als Pianistin europaweit großen Ruhm erworben. Brahms war von ihr fasziniert. Auch nach Schumanns Tod (1856) verband die beiden eine lebenslange Freundschaft. Brahms blieb unverheiratet. Jedoch hat er eine Zeitlang wohl gehofft, vergeblich, dass Schumanns Tochter Julie seine große Zuneigung erwidern würde. Julie heiratete im September 1869 einen italienischen Grafen. Brahms hatte 1868/69 seine „Rhapsodie für eine Altstimme, Männerchor und Orchester“, op. 53 komponiert. An seinen Verleger Simrock schrieb er im August 1869: „Hier habe ich ein Brautlied geschrieben für die Schumannsche Gräfin, aber mit Ingrimm schreibe ich derlei, mit Zorn.“ Er übergab das Werk an Clara Schumann nach der Hochzeit von Julie; Clara äußerte sich „erschüttert durch den tiefsinnigen Schmerz in Wort und Musik“.

 

1858 nahm Brahms eine Stelle als Hofmusikdirektor in Detmold an. 1862 übersiedelte er nach Wien, das seine Wahlheimat wurde. Ab 1863 leitete er dort vorübergehend die Singakademie und 1872 bis 1875 die Konzerte der Musikgesellschaft. Danach nahm er kein Amt mehr an und lebte als freier Künstler bis an sein Lebensende mit fast 64 Jahren in Wien.

Brahms kannte keine wirtschaftlichen Sorgen, lebte aber sehr bescheiden. Die Sommermonate verbrachte er meist außerhalb Wiens. Seine Sommerreisen führten ihn bis an die Ostsee, nach Kärnten, Baden-Baden usw. Brahms hat in seinem Leben zahlreiche Ehrungen erhalten: Ehrendoktor in Cambridge und Breslau, 1886 Mitglied des Ordens Pour le Mérite und Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, 1889 Ehrenbürger in Hamburg.

Musikwissenschaftliche Arbeiten sprechen bei ihm von drei Schaffensperioden:

Die erste reiche bis zum „Deutschen Requiem“(op. 45), die zweite bis zum zweiten Klavierkonzert und die dritte beginne mit der dritten Sinfonie. Für die erste Periode sei die romantische Grundeinstellung signifikant, die zweite sei durch einen stark klassischen Einschlag geprägt, und die dritte sei eine Verschmelzung dieser Grundeinstellungen miteinander.

 

Literatur:

Siegfried Kross, Johannes Brahms – Versuch einer kritischen Dokumantar-Biographie, Bouvier Verlag 1997

Dietrich Fischer-Dieskau, Johannes Brahms, Ullstein 2006

Malte Korff, Johannes Brahms – Leben und Werk, dtv 2008

Programmheft des Romantischen Chors Hamburg e.V. zu einem Konzert im Juli 2009

                                                                                                   A.W.

3. Hier folgen die Texte der einzelnen Lieder.

 

1

Rede Mädchen, allzu liebes, das mir in die Brust, die kühle,

hat geschleudert mit dem Blicke, diese wilden Glutgefühle!

Willst du nicht dein Herz erweichen, willst du eine Überfromme,

rasten ohne traute Wonne, oder willst du, daß ich komme?

Rasten ohne traute Wonne, nicht so bitter will ich büßen,

komme nur, du schwarzes Auge, willst du, daß ich komme

wenn die Sterne grüßen?

 

2

Am Gesteine rauscht die Flut, heftig angetrieben;

wer da nicht zu seufzen weiß lernt es unterm Lieben.

 

3

O die Frauen o die Frauen, wie sie Wonne tauen!

Wäre lang ein Mönch geworden, wären nicht die Frauen!

 

4

Wie des Abends schöne Röte möcht ich arme Dirne glühn,

einem, einem zu Gefallen sonder Ende Wonne sprühn.

 

5

Die grüne Hopfenranke, sie schlängelt auf der Erde hin.

Die junge, schöne Dirne, so traurig ist ihr Sinn!

Du höre, grüne Ranke! Was hebst du dich nicht himmelwärts?

Du höre, schöne Dirne! Was ist so schwer dein Herz?

Wie höbe sich die Ranke, der keine Stütze Kraft verleiht?

Wie wäre die Dirne fröhlich, wenn ihr der Liebste weit?

 

6

Ein kleiner hübscher Vogel nahm den Flug

zum Garten hin da gab es Obst genug.

Wenn ich ein hübscher, kleiner Vogel wär,

ich säumte nicht, ich täte so wie der.

Leimruten Arglist, lauert an dem Ort,

der arme Vogel konnte nicht mehr fort.

Wenn ich ein hübscher, kleiner Vogel wär,

ich säumte doch, ich täte nicht wie der.

Der Vogel kam in eine schöne Hand,

da tat es ihm, dem Glücklichen nicht and.

Wenn ich ein hübscher, kleiner Vogel wär,

ich säumte nicht, ich täte doch wie der.

 

7

Wohl schön schön bewandt war es vor ehe

mit meinem Leben, mit meiner Liebe,

durch eine Wand, ja durch zehn Wände

erkannte mich des Freundes Sehe,

doch jetzo, wehe, wenn ich dem Kalten

auch noch so dicht vorm Auge stehe,

es merkt sein Auge, sein Herze nicht.

 

8

Wenn so lind dein Auge mir und so lieblich schauet,

jede letzte Trübe flieht, welche mich umgrauet.

Dieser Liebe schöne Glut, laß sie nicht verstieben!

Nimmer wird, wie ich, so treu dich ein Andrer lieben.

 

9

Am Donaustrande, da steht ein Haus,

da schaut ein rosiges Mädchen aus.

Das Mädchen ist wohl gut gehegt,

zehn eiserne Riegel sind vor die Türe gelegt.

Zehn eiserne Riegel das ist ein Spaß,

die spreng ich als wären sie nur von Glas.

Am Donaustrande...

 

10

O wie sanft die Quelle sich durch die Wiese windet.

O wie schön wenn Liebe sich zu der Liebe findet!

 

11

Nein, es ist nicht auszukommen mit den Leuten;

alles wissen sie so giftig auszudeuten.

Bin ich heiter, hegen soll ich lose Triebe,

bin ich still, so heißt’s ich wäre irr aus Liebe.

Nein,...

 

12

Schlosser auf, und mache Schlösser ohne Zahl,

denn die bösen Mäuler will ich schließen allzumal!

 

13

Vögelein durchrauscht die Luft, sucht nach einem Aste,

und das Herz, ein Herz begehrts, wo es selig raste.

 

14

Sie, wie ist die Welle klar, blickt der Mond hernieder!

Die du meine Liebe bist, liebe du mich wieder

 

15

Nachtigall, sie singt so schön wenn die Sterne funkeln.

Liebe mich, geliebtes Herz, küsse mich im Dunkeln.

 

16

Ein dunkeler Schacht ist Liebe, ein gar zu gefährlicher Bronnen;

da fiel ich hinein, ich Armer, kann weder hören noch sehn,

nur denken an meine Wonnen, nur stöhnen, in meinem Wehn.

 

17

Nicht wandle, mein Licht, dort außen, im Flurbereich!

Die Füße würden dir, die zarten, zu naß, zu weich.

Allüberströmt sind dort die Wege, die Stege dir;

so überreichlich tränte dorten das Auge mir.

 

18

Es bebet das Gesträuche, gestreift hat es im Fluge ein Vögelein.

In gleicher Art erbebet die Seele  mir,

erschüttert von Liebe, Lust und Leide gedenkt sie dein.